Navi aus - und schon ist alles gut?

 
     
 

Verkehrsführungen an Arbeitsstellen und Navigationssysteme sind in der Regel unverträglich, vor allem wenn die Geräte auf "veraltetes" Kartenmaterial zurückgreifen. Entsprechend sorgt das blinde Vertrauen in die elektronischen Helfer immer wieder für gefährliche Situationen bzw. Unfälle und jeder, der mit verkehrslenkenden Maßnahmen befasst ist, kann von derartigen Problemen ein Lied singen. Folglich suchen die Verantwortlichen in der Praxis nach Lösungen und finden sie vermeintlich in Schildern, die die Nutzung des Navigationssystems "untersagen".

Obgleich derartige Versuche schon länger -zugegeben weitgehend erfolgreich- angewandt werden, gibt es an solchen Stellen erfahrungsgemäß auch bislang ungenutzte Optimierungsmöglichkeiten. Entsprechend hat sich der Autor dieser Website auf den Weg gemacht, um vor allem das "Drumherum" bei einer aktuellen Baumaßnahme etwas in Augenschein zu nehmen. Insbesondere die zahlreichen Medienberichte lassen nämlich darauf schließen, dass die Verkehrsführung vor Ort alles andere als klar ist (war) und genau diese Vermutung wurde - trotz bereits erfolgter Verbesserungen - bestätigt.

 
     
 

 
 

Bisher musste man an dieser Stelle links abbiegen, um auf die A73 in Fahrtrichtung Suhl bzw. Erfurt zu gelangen. Nach dem Umbau des Knotens ist hierfür jedoch der mittlere von drei Fahrstreifen vorgesehen, welcher direkt (nunmehr nach rechts) auf die Autobahn führt. Kurz vorher zweigt ein weiterer Rechtsabbiegestreifen nach Ebersdorf b. Coburg bzw. ins dortige Gewerbegebiet ab. Geradeaus geht es nach Coburg, bzw. auf die A73 in Fahrtrichtung Nürnberg.

 
     
 

 
 

Nach einigen, teils schweren Unfällen, ist dies nun das vorläufige Endergebnis: Das Navi soll an dieser Stelle nicht beachtet werden, da es ggf. noch die alte Streckenführung enthält und damit die Verkehrsteilnehmer weiterhin nach links auf die Autobahn schickt, die man von dort aber nur noch als Geisterfahrer befahren kann. Anstelle dem Navigationssystem zu vertrauen, sollen die Verkehrsteilnehmer sich an der Beschilderung bzw. Fahrbahnmarkierung orientieren. Und insbesondere letztere ist - wie so oft - bemerkenswert.

 
     
 

 
 

Bereits hier zeigt sich die Kreativität im Bereich der Markierung. Ein Geradeaus-Rechts-Pfeil, wie er weiter hinten im Bild zu sehen ist, wurde hier offenbar als unpassend empfunden. Stattdessen wurden zwei Geradeaus-Pfeile markiert, die zusammen mit dem weißen Pfeil ein gelungenes Gesamtbild ergeben. Viel interessanter als diese Kleinigkeit ist allerdings der Umstand, dass trotz der negativen Erfahrungen mit der gelben Markierung (mehr dazu nachfolgend) weiterhin an dem "Mischprinzip" aus gleichzeitig gültigen gelben und weißen Markierungen festgehalten wurde. Die StVO sieht explizit vor, dass gelbe Markierungen weiße Markierungen aufheben. Stattdessen soll an dieser Stelle einmal die weiße Markierung aufgehoben sein, wenige Meter weiter wird sie hingegen mit genutzt. Hierbei gilt es festzuhalten, dass der dargestellte Zustand schon das Ergebnis mehrerer Verbesserungen ist.

 
     
 

 
 

Wie ist die Kombination aus Pfeilen und Textwiedergabe zu verstehen? Geht es geradeaus und rechts zur A73 nach Suhl? Die Planer wissen, was sie hier bezwecken wollen und der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer versteht dies auch - aber eindeutig ist diese Lösung trotzdem nicht. Bemerkenswert ist auch der schlechte Zustand der Kennung "B 303". In dieser Qualität hat sich offenbar fast die gesamte Gelbmarkierung befunden, als es zu den genannten Unfällen kam - zumindest lassen die nicht nachgebesserten gelben Markierungszeichen im weiteren Verlauf darauf schließen. Eigentlich müsste es Ziel sein, alle Markierungen innerhalb einer Verkehrsführung insgesamt auf einen einheitlichen Stand zu bringen.

 
     
 

 
 

Situation bei Dunkelheit.

 
     
 

 
 

Hier sieht man den Versuch einer abgefrästen Weißmarkierung (links) und die aktuelle gültige Gelbmarkierung (rechts). Entsprechend kann man sich vorstellen, wie gut die Weißmarkierung aussah, als sie noch nicht "weggefräst" war. Grundsätzlich ist hierzu zu sagen, dass konventionelle Markierungsfarbe für stark befahrene Fahrbahnteile in der Regel nur für den wirklich kurzfristigen Einsatz geeignet ist, zumal sie in vielen Fällen nicht fachgerecht appliziert wird. Solche Markierungen sind dann insbesondere bei Nacht und Nässe unbrauchbar.

Sehr beliebt sind z.B. der Verzicht auf Nachstreumittel (Reflexperlen) bzw. deren "sparsame Anwendung", eine geringere Nassfilmdicke als erforderlich, gepanschte Markierungsfarben usw. - meist alles in Kombination für ein möglichst schlechtes Ergebnis. Über die Funktionalität solcher Markierungen braucht man sich im Grunde gar keine Gedanken machen - eingesetzt werden sie trotzdem, da preiswert, leicht zu applizieren und - ja, auch dann zu applizieren, wenn sich Markierungsfolie witterungsbedingt nicht verarbeiten lässt.

Da die Abnahme - so wie denn überhaupt erfolgt - oft nur augenscheinlich, bei Tageslicht und ohne entsprechende Messungen oder Auswertung von Prüfstücken durchgeführt wird, bleibt vor allem der mangelhafte Zustand bei Nacht und Nässe oft "unentdeckt". Der Verkehrssicherheit ist dies natürlich nicht dienlich.

 
     
 

Markierungsfolie

Markierungsfarbe

 
 

Wie eine vorübergehende gelbe Markierung aussehen sollte, zeigt das linke Beispiel von der gleichen Baustelle, im Bereich der BAB-Ausfahrt. Wobei es hier festzuhalten gilt, dass die Anwendung dieser Markierungsfolie neben einer weißen< Agglomeratmarkierung auch unzweckmäßig ist (hier wäre eine profilierte gelbe Markierungsfolie die bessere Wahl). Das rechte Bild zeigt hingegen die Gelbmarkierung im Bereich des Knotens, welche sich von der vorhandenen Weißmarkierung eigentlich abheben soll. In diesem Zustand ist das nahezu unmöglich - vor allem bei Nacht und Nässe.

 
     
 

 
 

Als Referenz bietet sich der gelbe Leitlinienstrich direkt über dem weißen Leitlinienstrich (Bildmitte) an:

 
     
 

 
 

Hier sieht man deutlich, dass die Funktionsfähigkeit der gelben Markierungsfarbe (über dem weißen Leitlinienstrich) überhaupt nicht gegeben ist. Auch der weiße Strich im Hintergrund ist besser erkennbar. Umso deutlicher wird natürlich der Unterschied zu den testweise angelegten Markierungsfolien-Mustern. Zwar sind diese neu und damit eigentlich keine Referenz, aber es zeigt sich doch sehr deutlich, wie eine gelbe Fahrbahnmarkierung auch beschaffen sein kann bzw. sollte. Es steht natürlich außer Frage, dass Markierungsfolien bei schwierigen Witterungsbedingungen in der Regel nicht fachgerecht appliziert werden können - ob man sich aber allein deshalb mit dem vorliegenden Ergebnis begnügen muss, bleibt fraglich.

 
     
 

 
 

Wie es um die Situation bestellt war, als man noch nicht Teile der weißen Markierung (mehr oder weniger erfolgreich) abgefräst hatte, sieht man hier. Nicht nur dass auch eine Situation geschaffen wurde, die nicht der StVO entspricht (Gelb und Weiß sollen gleichzeitig gelten). Es zeigt sich recht deutlich, welche Markierung visuell hervorsticht.

 
     
 

 
 

An dieser Stelle wurde ein vorhandener weißer Pfeil mit gelber Markierungsfarbe übermalt und durch einen Rechtsabbiegepfeil ergänzt. Das diese Konstruktion nicht lange Bestand hat dürfte klar sein - zumal der Rechtsabbiegepfeil bei Dunkelheit deutlich schlechter wahrnehmbar ist, da er nicht Weiß "unterlegt" ist. Wenn der Verschleiß der gelben Farbe weiter fortschreitet, ist bald nur noch der bisherige weiße Geradeauspfeil (wieder) sichtbar.

 
     
 

 
 

Situation bei Nacht. Die dunklen Stellen entstehen durch mangelhaftes händisches Abstreuen,
bzw. durch schlechte Haftung und damit vorzeitigem Abrieb der Reflexperlen.

 
     
 

 
 

Fotomontage: Eine funktionstüchtige gelbe Markierung sollte im Scheinwerferlicht eigentlich so aussehen.

 
     
 

 
 

Eigentlich ein anderes Thema, aber in diesem Zusammenhang ein Paradebeispiel für die Haltbarkeit gelber Markierungsfarbe. Leitbord zählt ebenfalls zu den vorübergehenden Markierungen und muss - genau wie Leitschwellen - eigentlich schon immer in Gelb ausgeführt werden. Spätestens jedoch mit dem StVO-Neuerlass von 2013 wurde diese Festlegung verbindlich. Natürlich kaufen die Unternehmen deshalb noch lange keinen neuen Leitbord, sondern lackieren ihre vorhandenen Bestände einfach um. Generell ist dagegen nichts einzuwenden, solange das Ergebnis nicht so aussieht, wie im vorliegenden Bild.

 
     
 

 
 

Fotomontage: Natürlich wird Leitbord in der Praxis nicht so strahlend Gelb aussehen, wie in den Prospekten der jeweiligen Hersteller - aber so wie es hier beim zweiten Element exemplarisch dargestellt wurde, sollte "gelber" Leitbord mindestens ausgeführt sein, um die gewünschte Funktion zu gewährleisten. Die eingesetzte Markierungsfarbe kann dieser Anforderung offensichtlich nicht dauerhaft genügen.

 
     
 

 
 

Gelb? - alles eine Frage der Definition.

 
     
 

hausgemachte Probleme
Nach diesen Beispielen dürfte klar sein, dass Navigationssysteme zwar ein wesentliches Problem darstellen, aber auch, dass es bei der eigentlichen Verkehrsführung oft noch vieles zu verbessern gibt - vor allem mit Blick auf die gültigen Standards. Den Verkehrsteilnehmern die Nutzung des Navis zu "untersagen" ist als letzter Schritt durchaus denkbar, wenn man zuvor alle verkehrstechnischen Möglichkeiten -sachgerecht- ausgeschöpft hat.

 
     
 

In diesem Zusammenhang wird auch hier wieder ein Grundproblem deutlich, welches bundesweit anzutreffen ist und regelmäßig für die genannten Schwierigkeiten sorgt: Verkehrsfreigabe kurz vor Heiligabend (am liebsten sogar noch an Heiligabend), oder in Schlechtwetterperioden ohne Alternativtermine - "wir müssen den Verkehr morgen umlegen, komme was wolle".

Temporäre Fahrbahnmarkierungen sind von Haus aus nicht immer hinreichend haltbar zu applizieren, insbesondere Markierungsfolien. Vor allem das Wetter durchkreuzt oftmals auch noch so gute Pläne für eine sichere Verkehrsführung. Wenn man aber bewusst Verkehrsfreigaben in kritische Witterungsperioden legt, obwohl man weiß, dass dies zu Problemen führen kann, dann nimmt man zusammen mit dem "politischen Weihnachtsgeschenk" auch Defizite bezüglich der Verkehrssicherheit in Kauf. Im Nachhinein betrachtet war diese Problematik den Verantwortlichen lt. Medienberichten auch bewusst.

 
     
 

konsequent Gelb oder Weiß
Auf Autobahnen mag das Prinzip "Gelb hebt Weiß auf" funktionieren, da sich der Verkehrsteilnehmer auf die in Gelb gehaltene Verkehrsführung umorientieren kann - sofern sie fachgerecht ausgeführt ist. Auch die Mitnutzung vorhandener weißer Markierungen kann dort ausnahmsweise geduldet werden, wenn diese maßgeblich der optischen Führung dient (z.B. Zeichen 295 am Fahrbahnrand). Verkehrsrechtlich gesehen bleibt die Kombination aus gleichzeitig gültigen gelben und weißen Markierungen dennoch falsch - auch wenn es für deren Anwendung viele gute Gründe gibt.

An Knotenpunkten hingegen sollten -vergleichsweise komplexe- Verkehrsführungen stets in einer einheitlichen Farbe ausgeführt werden. In jedem Fall verbietet sich dort die Mitnutzung weißer Markierungen, insbesondere wenn die Kombination aus Gelb und Weiß nur sporadisch erfolgt und das "System" alle paar Meter wechselt.

Grundsätzlich muss den Verantwortlichen klar sein, dass eine gelbe Fahrbahnmarkierung -rein technisch/theoretisch gesehen- niemals besser sichtbar sein kann, als eine voll funktionstüchtige Weißmarkierung (bei gleichartigen Markierungssystemen liefert Weiß immer die besseren Rückstrahlwerte). Insbesondere bei Nacht und Nässe ist diese Problematik von Bedeutung. Wenn man, wie bei der vorliegenden Baumaßnahme, ohnehin eine vollständige Fahrbahnsanierung plant, sollte man in jedem Fall die Option in Erwägung ziehen, den gesamten Knoten vorab zu demarkieren, bevor die temporäre Baustellenmarkierung zum Einsatz kommt.

 
     
 

Beschilderung besser als Navi?

 
 

 
 

Letztendlich zeigt sich an diesem Beispiel aus der Gegenrichtung recht gut, dass die Verantwortlichen mit ihrem Hinweis "man möge doch nicht auf das Navi vertrauen, sondern sich lieber an die Beschilderung halten" auch nur soweit Recht haben, wie es die tatsächliche Situation vor Ort zulässt. Das Zeichen 209-30 verbietet nicht nur das Rechtsabbiegen auf die ehemalige Autobahnauffahrt, sondern - entgegen der Wegweisung und Fahrbahnmarkierung - auch das Linkabbiegen Richtung Ebersdorf bei Coburg. Wer hier also fehlgeleitet geradeaus weiterfährt, vertraut womöglich - nach einigen Kilometern Irrfahrt in der falschen Richtung - auf dem Rückweg doch lieber wieder seinem Navigationssystem, auch wenn die LED-Tafel am Beginn der Arbeitsstelle etwas anderes sagt.

 
     
 

Warnleuchten die nicht leuchten

 
 

 
 

Zum Abschluss noch etwas "Beifang": Wie an fast jeder Arbeitsstelle sind Warnleuchten maßgeblich nur in der Planungsphase relevant - leuchten müssen sie natürlich nicht. Sicherlich funktioniert die Sperrung auch so (rein konstruktiv), aber wenn man eine Absperrschranke mit roten Warnleuchten anordnet, sollte man sich auch hin und wieder von deren Funktion überzeugen.

 
     
 

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Stand: 03/2018

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